Frauen- und Männergesundheit

Depressiv im Wochenbett?

Traurig sein mitten im Glück? Das passt nicht in das Bild von jungen Müttern. Dabei wäre ein offenes Wort wichtig. Zwischen 50 und 60 Prozent der Mütter haben in der ersten Woche nach der Geburt leichte Depressionen. Die Erkrankung kann jedoch gut behandelt werden.

17.11.2016
Foto: Alexander Sell

Dr. Clara Park
Radiologin
RNS Gemeinschaftspraxis
Wiesbaden



Depressionen nach der Geburt sind gar nicht so selten, wie viele denken. Zwischen 50 und 60 Prozent der Mütter haben in der ersten Woche nach der Niederkunft depressive Verstimmungen. Doch diese „Heultage“ sind hormonell bedingt und nur von kurzer Dauer. Eine Behandlung ist nicht nötig. Anders bei den 10 bis 15 Prozent der jungen Mütter die auch noch nach Wochen und Monaten unter depressiven Verstimmungen leiden. Dies werde jedoch längst nicht immer diagnostiziert, weiß die Leiterin der Techniker Krankenkasse in Hessen, Barbara Voß. Aus Scham- und Schuldgefühlen teilten viele Frauen ihre Depression nicht mit. Sie schreiben es sich häufig selber zu, denken, sie hätten versagt und seien keine gute Mutter. Dabei handelt es sich nicht um ein persönliches Versagen, sondern um eine Krankheit, die man gut behandeln kann.

Trauma und Kontrollverlust

Auslöser sind häufig eine sehr schmerzhafte und traumatische Geburt sowie eine Situation der Überforderung mit dem schreienden Säugling. Ein höheres Risiko zu erkranken haben nach Einschätzung von Experten auch Frauen, die schon einmal unter Stimmungserkrankungen gelitten haben oder in der Schwangerschaft ängstlich und depressiv waren. Auch Depressionen in der Familie können ein Faktor sein. „Es ist gar nicht mal so selten, dass sich eine psychische Erkrankung das erste Mal im Wochenbett demaskiert“, weiß Prof. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie der Frankfurter Universität. Dabei sei es unerheblich, ob der Partner oder das weitere soziale Umfeld die Frau unterstützen oder nicht. Laut Reif finden sich klassische postpartale Depressionen auch bei Frauen, die in einem perfekten Umfeld leben, wo der Partner voll dahinter steht, sich alle freuen und die Geburt glattging. Neuere Studien zeigen, dass auch bestimmte Persönlichkeitsfacetten der Mutter ein Risikofaktor sein können. Demnach seien es sehr autonome, gewissenhafte und perfektionistische Frauen, denen es häufig schwerfällt, mit einem Kind nicht mehr alles selbstbestimmt kontrollieren zu können. Auch träfe diese Depression eher Frauen aus höheren Bildungsschichten. Und: Wochenbettdepressionen treten nicht selten beim zweiten Kind wieder auf. Frauen sollten deshalb rasch Hilfe suchen.

Antidepressiva und Psychotherapie

Antidepressiva können helfen, ohne dass die Frauen aufs Stillen verzichten müssen. Bei der Therapie werde Psychopharmakologie mit Psychotherapie kombiniert, sagt Reif. In schweren Fällen gehe es auch darum, wieder den Bezug zum Kind zu bekommen. Psychotherapie funktioniere sehr gut, wenn sie in den ersten zwei bis drei Monaten nach der Geburt beginne. Wird die Depression nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, drohen hingegen massive Auswirkungen auf das Kind, die Partnerschaft und die ganze Familie und. (red)