Augen, Nase und Ohren

Zuhören ist Netzwerkarbeit des Gehirns

Nicht nur Lautstärke und Differenzierungsmöglichkeiten entscheiden über den individuellen Hörerfolg. Auch die Kommunikation von Hirnregionen untereinander.

22.05.2019

Jeder kennt diese Situation: Man sitzt in einem gut gefüllten Restaurant und versucht, einer Person am anderen Ende des Tisches zuzuhören. Meist fällt es schwer, die Umgebungsgeräusche auszublenden. Das trifft einmal mehr auf Menschen mit einer Hörminderung zu. Doch ist das allein eine Frage des Gehörs und der Lautstärke?
Sicher hören wir in erster Line mit unseren Ohren, aber die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Sprecher zu fokussieren und sich nicht durch andere ablenken zu lassen, scheint auch auf dem Zusammenspiel von unterschiedlichen Arealen unseres Gehirns zu beruhen. Das hat zumindest die interdisziplinäre Forschergruppe „Auditive Kognition“ der Universität zu Lübeck herausgefunden.

Netzwerke der Kommunikation

Ihre Untersuchung mittels Magnetresonanztomografie hat ergeben, dass diese Fähigkeit auch vom Kommunikationspotenzial von Hirnregionen untereinander abhängt und davon, ob wir auf das aufmerksame Zuhören eingestellt sind. Genauer gesagt bedarf es für ein erfolgreiches Sprachverstehen in diesen alltäglichen Situationen einer fein abgestimmten Umgruppierung der Hirnnetzwerke und einer möglichst flexiblen Anpassung der Kommunikation von räumlich getrennten Hirnregionen.
„Personen, bei denen eine stärkere Umstrukturierung der Hirnmodule zu beobachten war (…), zeigten tatsächlich eine bessere Leistung in der Höraufgabe“, sagt Prof. Dr. Jonas Obleser, Leiter der Forschungsgruppe. Auch wurden während des fokussierten Zuhörens nicht nur bekannte Hörregionen beansprucht, sondern auch Hirnregionen eingebunden, die mit der gezielten Ausrichtung von Aufmerksamkeit in Zusammenhang stehen.

Knoten bündeln

Die Netzwerke, die „Kommunikation“ in unserem Gehirn ermöglichen, ähneln denen von Flugverbindungen zwischen verschiedenen Flughäfen. All diese Systeme bestehen aus vielen einzelnen Knotenpunkten – in diesem Fall den unterschiedlichen Hirnregionen – und den Verbindungen zwischen diesen Knotenpunkten. Neuronale Netzwerke haben jedoch auch die Fähigkeit, diese Knotenpunkte und Verbindungen in kleineren Einheiten („Modulen“) zu bündeln. Da jeder Mensch hier andere Potenziale mitbringt, liegt es auf der Hand, dass die Fähigkeit zuzuhören individuell unterschiedlich ausfällt. Die Forscher hoffen dennoch, dass das diese Erkenntnisse zur Behandlung von Sprachverständnisschwierigkeiten sowie der Weiterentwicklung von Hörgeräten beitragen können. (red)