Augen, Nase und Ohren

Schwerhörigkeit akzeptieren und handeln!

Millionen Deutsche leiden unter Schwerhörigkeit. Doch die wenigsten erkennen es an. Dabei gibt es für alle eine passende Lösung.

04.10.2016

Nur fünf Prozent der über 50-Jährigen haben das sogenannte Goldene Gehör, können also noch das volle Tonspektrum wahrnehmen. Bei allen anderen lässt der Hörsinn mit den Jahren, aber auch lärm- oder krankheitsbedingt nach. Nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. sind mittlerweile rund 15 Millionen Menschen in Deutschland von einer Hörschwäche betroffen, darunter auch viele Jugendliche. Das Problem: Der Prozess des Hörverlustes verläuft fast immer schleichend. Betroffene suchen deshalb zunächst die Schuld bei den anderen. Vorwürfe an die Gesprächspartner wie „Du redest zu leise!“ oder „Sprich doch deutlicher!“ sind typisch und zeigen, dass sich die meisten ihrer Schwerhörigkeit entweder nicht bewusst sind oder sie nicht akzeptieren. Das trifft vor allem auf Kinder und Jugendliche zu. Doch selbst Betroffene jenseits der 70 Jahre wollen oft nicht glauben, dass der andere nicht zu leise spricht, sondern sie selbst ein Hörproblem haben.

Warnzeichen ernst nehmen

Hohe Töne wie das Piepsen des Fieberthermometers oder das Rauschen der Bäume im Wind gehen zuerst verloren. Bei einer mittelschweren Schädigung schweigt das Ohr sogar, wenn der Nachbar am Gartenzaun grüßt oder ein Flugzeug über den Kopf brummt. Wer den Staubsauger nicht mehr hört, ist hochgradig schwerhörig. Und wer eine Kreissäge oder einen Lkw von rund 90 Dezibel nicht mehr wahrnimmt, gilt quasi als taub. Auch ein plötzlicher Leistungsabfall in der Schule – ohne erkennbare Ursache – kann auf einen Hörverlust hinweisen. Eltern sollten deshalb ein wachsames Auge auf ihre Kinder haben. Denn wer nichts versteht, kann dem Unterricht nicht folgen und wird automatisch schlechter. Laut einer Studie hat bereits jeder vierte Jugendliche einen unheilbaren Hörschaden. Tendenz steigend. Schuld sind oft der Dauergebrauch von Stöpselkopfhörern (in-ear-Kopfhörer), laute Konzerte und Knalltraumata durch Feuerwerkskörper, aber auch nicht ausgeheilte Ohrenentzündungen.

Moderne Hörsysteme helfen

Unternimmt man nichts gegen das Problem, drohen sozialer Rückzug und Einsamkeit. Studien haben gezeigt, dass Schwerhörige öfter unter Depressionen leiden als Menschen mit intaktem Gehör. Die gute Nachricht: Den meisten geht es besser, sobald sie etwas gegen die Hörschwäche tun. Moderne Hörsysteme sorgen für eine schnelle und fast identische Wiedergabe der Töne im Ohr. Betroffene können fast alles verstehen und ganz normal am Leben teilnehmen. Das Gehirn ermüdet nicht mehr so sehr. Fast alle Systeme blenden unangenehme Störgeräusche aus oder stellen sich auf bestimmte Situationen, zum Beispiel im Straßenverkehr oder im Restaurant, ein. Man unterscheidet hier zwischen Geräten, die außerhalb und innerhalb der Ohrmuschel liegen. Bei einer leichten bis mittleren Hörminderung empfiehlt sich ein Im-Ohr-System. Wer mehr Leistung braucht, sollte Mini-Kopfhörer hinterm Ohr tragen.

Anpassen und eingewöhnen

Doch kein Gehör gleicht dem anderen. Hören ist vielmehr eine sehr individuelle Leistung. Deshalb muss der Hörgeräteakustiker zunächst herausfinden, wie es darum bestellt ist. In einem Audiogramm hält er fest, welche Hörleistung mit welcher Hörhilfe erreicht werden soll und kann. Diese Daten dienen später dazu, das Hörgerät korrekt einzustellen. Die „Situ-Messung“, also im Gehörgang, liefert noch exaktere Messwerte, da die Daten direkt im Gehörgang gemessen werden, was vor allem für den Einsatz von Otoplastiken (Ohrpassstücke) wichtig ist. Erst nach der Messung und der Datenauswertung können die geeigneten Hörgeräte ausgewählt und erste Grundeinstellungen vorgenommen werden. Denn Hörhilfen haben bei Auslieferung nur die Standardeinstellung mit allgemeinen Daten. Damit können die Hörgeräte zwar genutzt werden, liefern den Betroffenen aber zumeist nicht die erhofften Hörergebnisse. Die endgültige Einstellung erfordert Zeit und Geduld. Sie ist mit einem Gewöhnungsprozess verbunden. Dieser ist wichtig, denn nur wenn eine korrekte Anpassung erfolgt, können sich Betroffene leichter an die Hörgeräte gewöhnen. Mehrere Termine beim Hörgeräteakustiker sind wichtig. Er stellt die Hörhilfe langsam ein. (red)