Augen, Nase und Ohren

Plötzliche Sehschwankungen – könnte es Diabetes sein?

Passt die neue Brille plötzlich doch nicht mehr oder sieht man abwechselnd gut oder schlecht, könnte das die Zuckerkrankheit sein. Regelmäßige Kontrollen können bei der Früherkennung helfen und so das Augenlicht retten.

15.12.2016

Verändert sich die Sehschärfe innerhalb eines Tages, kann dies ein frühes Warnzeichen für Diabetes mellitus sein. Darauf wies die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) im Vorfeld ihres 114. Kongresses Anfang Oktober in Berlin hin. „Der Augenarzt kann Folgen der Stoffwechselerkrankung schon mit einer einfachen Untersuchung des Augenhintergrundes erkennen“, erläutert Professor Dr. med. Horst Helbig, Präsident der DOG. Früherkennung und regelmäßige Untersuchungen des Auges sind bei Diabetes wichtig, weil sonst schwere Netzhautschäden drohen. Die Zahl der durch Diabetes bedingten Augenerkrankungen steigt in Deutschland dramatisch an – schätzungsweise zwei Millionen Menschen sind davon betroffen, ohne davon zu wissen.

Verschwommene Bilder

„Zu uns kommen jede Woche Patienten in die Augenklinik, die unter Schwankungen der Sehschärfe im Tagesverlauf leiden“, sagt Professor Dr. med. Gabriele Lang. „Die Ursache dafür ist Diabetes mellitus“, fügt die Leiterin der Sektion konservative Retinologie und Laserchirurgie der Universitäts-Augenklinik Ulm hinzu.
Doch ein Teil der Patienten wisse bis zur Augenuntersuchung nicht, dass sie an der Stoffwechselstörung erkrankt sind. „Typische Schilderungen dieser Patienten lauten: Heute früh habe ich noch verschwommen gesehen, jetzt ist es wieder besser“, berichtet die DOG-Expertin weiter. Oder aber eine optimal eingestellte Brille scheint zwei Tage später nicht mehr zu passen. „Der Patient sieht dann mit den neuen Gläsern in der Ferne oder Nähe plötzlich wieder schlechter“, so Dr. Lang.
In vielen dieser Fälle liegt die Ursache bei Blutzuckerschwankungen, die auf einen Diabetes hinweisen. „Der steigende Blutzuckerspiegel erhöht den osmotischen Druck im Auge, was wiederum zu Wassereinlagerungen in der Augenlinse führt“, erläutert die Expertin. Die Folge ist, dass sich die Form der Linse vorübergehend verändert und damit auch die Fähigkeit, scharf zu sehen. „Wer solche Anzeichen bei sich bemerkt, sollte unbedingt einen Augenarzt aufsuchen“, rät die Fachärztin.

Augenhintergrund spiegeln

Der Ophthalmologe kann mit einer Spiegelung des Augenhintergrundes die Gefäße der Netzhaut, der Retina, untersuchen und diabetesbedingte Veränderungen erkennen, bevor die Stoffwechselerkrankung sich mit anderen Symptomen bemerkbar macht. „Für diese Untersuchung erweitern wir zuvor die Pupille mit Augentropfen“, erklärt Dr. Lang. „Je nach Schweregrad der Erkrankung sehen wir dann kleine rote Pünktchen auf der Netzhaut – dabei handelt es sich um Blutungen oder Aussackungen an den Gefäßen, sogenannte Mikroaneurysmen.“
Zu weiteren krankhaften Veränderungen zählen Schwellungen, Gefäßneubildungen der Netzhaut oder Glaskörperblutungen.

Netzhaut kontrollieren

Muss das Ausmaß der Netzhautschädigung genauer erfasst werden, können die Ärzte eine Fluoreszenzangiographie durchführen. Den Patienten wird dafür ein Farbstoff in die Armvene gespritzt. „Dies ist jedoch eine invasive Maßnahme, und es kann zu allergischen Reaktionen auf den Farbstoff kommen“, erläutert Dr. Lang. Weitere Informationen liefert die optische Kohärenztomographie (OCT), die einzelne Netzhautschichten abbildet.
Besondere Hoffnungen setzen die Augenärzte jedoch in ein neues Untersuchungsverfahren, das ohne Farbstoffinjektion und Pupillenerweiterung auskommt: die OCT-Angiographie. „Damit können wir innerhalb von zehn Sekunden ein Bild von den Mustern der Netzhautgefäße machen, indem die Bewegung der roten Blutkörperchen gemessen wird“, erklärt die DOG-Expertin.

Regelmäßige Untersuchungen

Die Untersuchungen zur Früherkennung sind wichtig. Denn schreitet die Stoffwechselstörung ungebremst voran, schädigt der Blutzucker zunehmend die kleinen Blutgefäße, die die Netzhaut mit Nährstoffen versorgen. So haben 80 Prozent der Patienten, die unter Diabetes mellitus Typ 2 leiden, nach zwanzig Jahren eine diabetische Retinopathie. „Regelmäßige Augenuntersuchungen sind für Diabetespatienten deshalb sehr wichtig“, betont Dr. Gabriele Lang.
Auch wenn ein Diabetes Typ 2 neu festgestellt wird, sollte sofort eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. Sind die Augen gesund, reicht fortan eine Kontrolle pro Jahr. (red.)