Alters- und Palliativmedizin

Patientenverfügung richtig ausfüllen

Die medizinische Maximalversorgung in aussichtslosen Fällen steht seit Jahren in der Kritik. Doch nur wenn der Patientenwille eindeutig formuliert wird, können Ärzte und Angehörige im Ernstfall die richtige Entscheidung treffen.

13.10.2016

Ein Unfall, eine missratene OP oder eine Krebserkrankung – nicht nur ältere Menschen können in die Lage geraten, ihre Geschicke von einem Tag auf den anderen nicht mehr selbst bestimmen zu können. Michael Schuhmacher ist das prominenteste Beispiel dafür. Wer in solchen Situationen die für ihn richtige medizinische Versorgung möchte, sollte sich eine Patientenverfügung zulegen, und zwar eine, die gilt, wenn’s drauf ankommt. Bei der Einflussnahme durch eine Patientenverfügung geht es vor allem darum, bestimmte lebensverlängernde Maßnahmen zu verhindern. Wer keine hat, muss damit rechnen, die maximale medizinische Behandlung zu bekommen, auch wenn man unheilbar krank ist und vielleicht nie wieder zu Bewusstsein kommt (DIPAT Die Patientenverfügung GmbH). Jahrelang in den Fängen der Apparatemedizin dahinzuvegetieren, ohne Aussicht auf Besserung und ohne jegliche Lebensqualität, ist für viele, die sich einen natürlichen Tod in Würde wünschen, eine Horrorvorstellung. Es ist eine Situation, die man unbedingt vermeiden möchte – für sich, aber auch für die Angehörigen, denen man den Gewissenskonflikt ersparen möchte, zum Richter über Leben und Tod zu werden.

Vordrucke enthalten rechtliche Lücken

Doch die wenigsten Deutschen haben eine Patientenverfügung und von diesen wiederum viel zu viele, die im Ernstfall nichts nützen. Der Grund: Sie sind schlecht oder nicht eindeutig genug formuliert. Das ergab eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Sozialforschungsinstituts Mentefactum im Auftrag des Online-Dienstleisters DIPAT. Auch, dass nur jeder zweite über 60-Jährige eine Patientenverfügung hat und rund drei Viertel dieser Verfügungen unwirksam sind! Der Grund: Viele der im Internet heruntergeladenen Vordrucke enthalten Lückentexte mit vorformulierten Textbausteinen. Diese Lücken einfach auszufüllen und diese Standardschreiben einfach zu unterzeichnen, sei jedoch nicht ratsam, warnt die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Denn in der Regel enthielten diese Verfügungen weder eine ärztliche Expertise noch würden sie den Gesundheitszustand des Patienten oder der Patientin berücksichtigen. Die Folge: Am Krankenbett stellt sich heraus, dass nicht ausreichend genau formuliert wurde und die Verfügung damit wirkungslos ist. Die Betroffenen erhalten dann das Maximum an medizinischer Versorgung, obwohl sie genau dies eventuell gerade nicht wollten oder umgekehrt.

Eigene Wertvorstellungen definieren

Besser sind Patientenverfügungen, die individuell auf die Lebenslage und die Wertvorstellungen des Unterzeichners zugeschnitten sind und im Notfall mit Sicherheit verfügbar und in der Praxis anwendbar sind. Dazu sollte sich jeder medizinisch beraten lassen, raten Experten. „Ersticke ich, wenn das Beatmungsgerät abgestellt wird?“, „Verdurste ich oder habe ich Schmerzen?“ Dazu sollte man sich am besten an den Mediziner seines Vertrauens wenden und die Verfügung Punkt für Punkt mit ihm durchgehen. Er kennt nicht nur die Krankengeschichte, sondern in der Regel auch die Gemütsverfassung seiner Patienten und kann Konsequenzen und Fachbegriffe erklären, die in fertigen Textbausteinen enthalten sind. Je individueller und situationsgebundener die Angaben sind, desto weniger Streit droht Angehörigen und Ärzten im Zweifelsfall. Auch eine jährliche Aktualisierung, durch ein neues Datum mit Unterschrift auf demselben Blatt zeigt, dass man immer noch zu den einmal getroffenen Aussagen steht. Noch glaubwürdiger wirkt die Verfügung, wenn man anschließend seine persönlichen Wertvorstellungen über das Leben, die Familie, die Religion, Gesundheit und Krankheit in eigene Worte fasst (www.patientenverfuegung.de). Die Angst, dass man diese Bestimmungen – einmal festgelegt – nicht mehr rückgängig machen kann, ist unbegründet. Denn jeder kann seine Patientenverfügung jederzeit widerrufen oder – wenn er sie daheim aufbewahrt – einfach zerreißen. Wer sie beim Notar hinterlegt hat, sollte sie dort vernichten oder entsprechen seinen Vorstellungen anpassen lassen. (red)

Ungenaue Formulierungen, die man vermeiden sollte

Folgende Formulierungen sind zu allgemein und unspezifisch. Sie können dazu führen, dass die Wünsche in der Patientenverfügung nicht durchgesetzt werden:
- "Im Fernsehen habe ich gesehen..."
- "Wenn keine Aussicht mehr auf ein sinnvolles Leben besteht..."
- "Falls mein Leben nicht mehr erträglich sein sollte..."
- "... Will ich nicht an Schläuchen hängen."
- "... möchte ich nicht mit Maßnahmen der Apparatemedizin behandelt werden."
- "... soll man mich in Ruhe sterben lassen."