Alters- und Palliativmedizin

Lokale Allianzen gegen Demenz

BAGSO-Vorsitzender Franz Müntefering betont, Menschen mit Demenz müsse dort geholfen werden, wo sich das Leben abspielt. Kommunen sollen für die nötigen Strukturen sorgen.

28.08.2019
BAGSO-Vorsitzender Franz Müntefering: Setzt sich für Lokale Allianzen ein.   Foto: SEBASTIAN GREUNER BAGSO-Vorsitzender Franz Müntefering: Setzt sich für Lokale Allianzen ein. Foto: SEBASTIAN GREUNER

Sie sind direkt vor Ort, in Städten, Dörfern oder Kirchengemeinden – die Lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz. Sie helfen nicht nur an Demenz erkrankten Menschen, sondern auch deren Angehörigen. Über 500 Lokale Allianzen gibt es mittlerweile in ganz Deutschland.
Das Modellprojekt, wird seit 2014 vom Bundesfamilienministerium gefördert und ist seit 2019 an die BAGSO, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen, übergeben worden.
Für diese neue Aufgabe wurde dafür extra eine Netzwerkstelle eingerichtet. BAGSO-Vorsitzender ist der ehemalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering.
Im Interview mit dem Servicebüro erklärte er, was ihn persönlich an der Arbeit reizt, wie er Demenz wahrnimmt und wie wichtig es ist, lokale Ansprechpartner vor Ort zu etablieren.

Herr Müntefering, Sie sind seit drei Jahren Vorsitzender der BAGSO. Warum engagieren Sie sich in der Seniorenpolitik?
Seniorenpolitik ist ein bedeutender Teil des Lebens. Das hat mich schon immer interessiert. Die Frage „wie wird eigentlich der ältere Teil der Gesellschaft einbezogen“ ist spannend und wird immer relevanter. Es ist wichtig zu erfahren, ob die älteren Menschen mitmachen in der Gesellschaft und wie sie aktiv bleiben. Dazu kommt: Ich bin selbst auch in dem Alter und versuche, jetzt meinen Teil beizutragen, dass die Aufmerksamkeit für das Thema stärker wird und Lösungsansätze gefunden werden.

Ein großer Teil der Seniorenpolitik ist auch das Thema Demenz. Was verbinden Sie persönlich damit?
Ich verbinde damit, dass Menschen krank werden können, weil sie Sprache, Erinnerung oder Orientierung verlieren. Aber sie bleiben immer noch Menschen, sie bleiben immer noch Unikate, sie bleiben immer noch sie selbst. Sie sind keine Nummern oder „Demente“, die man nach Schema X behandeln kann. Es geht um den Einzelnen, denn alle sind unterschiedlich. Es ist wichtig, dass man die nötige Zeit und Bereitschaft hat, auf diese Menschen einzugehen, weil jeder und jede sehr individuell ist. Und genau dort stehen die Kommunen schnell im Mittelpunkt, denn dort spielt sich das Leben mit Menschen mit Demenz ab.

Ein gutes Stichwort. Was muss die Politik denn konkret für Menschen mit Demenz tun?
Sie muss dafür sorgen, dass das Thema enttabuisiert wird, dass es darüber Informationen und Beratung gibt. Die Menschen müssen wissen, wenn Demenz in der Familie auftaucht, dann kann ich da oder dort hingehen.
In den Städten muss klar sein, wo geht man am besten hin, wenn man konkret Hilfe braucht. Wo sind Ehren- oder Hauptamtliche, wo finden Angehörige Entlastung, damit sie nicht unter der Last der Pflege eingehen? All das sind Dinge, die in einem Stadt- oder Ortsteil organisiert werden müssen.

Jetzt übernimmt die BAGSO die Netzwerkstelle für rund 500 Lokale Allianzen. Was steht im Fokus der kommenden Arbeit?
Wir müssen dafür sorgen, dass die 500 Lokalen Allianzen aktiv bleiben und dass neue dazukommen. Denn wir brauchen nicht 500, sondern 10.000 oder 15.000. Das ist aktuell ein Ungleichgewicht der Lebensverhältnisse. Es kann nicht sein, dass der eine die Möglichkeit bekommt, eine Lokale Allianz zu kontaktieren, weil sie um die Ecke ist. Ein anderer aber nicht, weil es dort keine gibt.
Unsere Aufgabe ist: Was können wir tun, damit die Sache größer und breiter wird? Darauf werden wir uns konzentrieren.
Wir werden im Land mit denen Gespräche führen, die damit zu tun haben. Da sind natürlich die bisherigen Lokalen Allianzen gute Ratgeber und Berater. Wir sprechen die Kommunen an. (red)