Alters- und Palliativmedizin

Dement durch Medikamente?

Geistiger Abbau und Stürze im Alter werden oft als gegeben hingenommen. Dabei kann man die häufigsten Ursachen dafür beheben.

01.08.2018

Mit dem Alter steigt die Anzahl der Krankheiten, mit denen man es zu tun bekommt. Meist müssen diese mit entsprechend vielen Medikamenten behandelt werden. Ein großes Problem, weil die meisten dieser Arzneien Nebenwirkungen haben. „Die Nierenleistung zum Beispiel halbiert sich bis zum 80. Lebensjahr, aber auch die Hirnleistung, Herzleistung, Lungenleistung und so weiter nehmen stetig ab“, bestätigt Professor Dr. med. Martin Wehling, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg.

Psychopharmaka im Fokus

Die Ursachen von Verwirrtheit und Gedächtnisschwund seien jedoch nicht nur in der generell im Alter abnehmenden Hirnleistung, zu suchen, sondern auch auf äußere Einflüsse zurückzuführenden, so der Experte. Dazu zählten Flüssigkeitsmangel oder Infektionen, aber auch äußere Einflüsse wie Operationen, Unfälle und der Konsum von Alkohol. Bei den Arzneimitteln seien vor allem jene Substanzen verdächtig, die direkt auf das Gehirn wirken. Dazu gehören nicht nur Psychopharmaka, sondern auch Opiate, Epilepsie- und Parkinson-Mittel. Aber auch Blutdruck- und Blutzuckersenker könnten, so Wehling, Verwirrtheit auslösen, wenn ihr Effekt stärker als gewünscht eintritt. Nicht zuletzt zählen Antibiotika wie Ciprofloxacin und Schmerzmittel wie Ibuprofen zu den möglichen Verursachern.

Stürze und Demenz

Das zweite Problem: Die Arzneimittel lösen nicht nur Verwirrtheit aus, sondern können auch Wahnvorstellungen und Stürze begünstigen. Prof. Wehling: „Die Wahrscheinlichkeit, dass z. B. ein 80-jähriger Patient mit Schenkelhalsbruch nach einem Jahr tot ist oder eine sogenannte medikamentöse Demenz bekommt, liegt bei 30 Prozent!“ Denn diese Substanzen seien leider in der Lage, die Denk- und Merkfähigkeit des Patienten negativ zu beeinflussen, wenn sie nur lange genug gegeben werden, also mindestens sechs Monate, was bei alten Patienten die Regel ist. Es gebe gute Schätzungen, dass an einem Drittel der sogenannten Altersdemenzformen Arzneimittel als ursächlich oder verschlimmernd beteiligt sind, so der Pharmakologe. Dies hätten auch jüngere Studien wieder belegt, die zum Beispiel zeigen, dass je nach Dosis und Dauer der Einnahme derartiger Medikamente das Demenzrisiko um bis zu 80 Prozent steigen kann.
Die gute Nachricht: Diese Form der Demenz ist reversibel, also heilbar, wenn sich diese Patienten einer Entgiftung entziehen und die Arzneimittelauswahl entsprechend angepasst wird. Auch Stürze ließen sich somit besser vermeiden. (red)