Alters- und Palliativmedizin

Das bringt die neue Pflegereform

Die zweite Stufe der Pflegereform ist in Kraft. Damit werden Leistungen ausgeweitet und pflegende Angehörige bessergestellt. Die wichtigsten Änderungen ab Januar im Überblick.

31.12.2016

Die Zahl der Pflegebedürftigen ist im vergangenen Jahrzehnt um ein Vielfaches gestiegen. Laut Barmer GEK Pflegereport um 30 Prozent von 1999 bis 2013. Im Jahr 2060 müssen schätzungsweise 4,52 Millionen Menschen gepflegt werden, 221 000 mehr, als man bisher annahm. Dazu werden 60 Prozent der pflegebedürftigen Männer und 70 Prozent der Frauen schon 85 Jahre oder noch älter sein. Im Vergleich: Heute liegen diese Werte bei 30 bzw. 50 Prozent! Die meisten Menschen wollen so lange wie möglich zu Hause leben und – falls möglich – auch hier gepflegt werden. Zwei Dritteln aller Pflegebedürftigen ist das auch vergönnt. Viele Angehörige leisten hier also schon enorm viel. Dem möchte das Pflegestärkungsgesetz II Rechnung tragen und Pflegende wie Versicherte stärker unterstützen.

Mehr Pflegestufen, mehr Leistung

Mit diesem Pflegestärkungsgesetz II wird aber vor allem ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Damit verbunden ist die Einteilung in fünf statt bisher drei Abstufungen zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit. Künftig werden körperliche, geistige und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Auch Patienten mit Demenz sollen den gleichen Zugang zu Pflegeleistungen bekommen wie solche mit einem körperlichem Handicap. Bei der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen (siehe Kasten unten) gemessen und – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt. Daraus ergibt sich die Einstufung in einen Pflegegrad. In Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben, aber zum Beispiel eine Pflegeberatung, eine Anpassung des Wohnumfeldes (z.B. altersgerechte Dusche, Handläufe) oder Leistungen der allgemeinen Betreuung benötigen. Die Unterstützung setzt künftig also deutlich früher ein als zuvor, und der Kreis der Anspruchsberechtigten wird deutlich größer. Zugleich soll ein bisher Pflegebedürftiger weder in der ambulanten noch in der stationären Pflege beim Übergang in das neue System von Pflegegraden und Begutachtung schlechter gestellt werden. Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten, bekommen diese auch weiterhin mindestens im gleichen Umfang, die allermeisten sogar deutlich mehr. Konkret gilt die Formel: Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werden automatisch in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. (Beispiele: Pflegestufe I wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe III wird in Pflegegrad 4 übergeleitet). Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen automatisch in den übernächsten Pflegegrad. (Beispiel: Pflegestufe 0 wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz wird in Pflegegrad 4 übergeleitet.) Die Umstellung auf die neuen Pflegegrade dauert bis 1. Januar 2017. Die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen dann von 2,35 auf 2,55 bzw. 2,8 Prozent für Kinderlose an.

Einheitliche Eigenanteile

In der vollstationären Pflege bringt die Reform mit einrichtungseinheitlichen Eigenanteilen eine wichtige Innovation. Hier kam es bislang nicht auf die Höhe der Leistungsbeträge, sondern auf die Höhe des Eigenanteils an, der aus eigener Tasche zu zahlen war. Dieser Eigenanteil steigt bisher mit der Einstufung in eine höhere Pflegestufe. Das ist künftig nicht mehr der Fall, was viele Pflegebedürftige entlastet. Alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 bezahlen in einem Pflegeheim den gleichen pflegebedingten Eigenanteil. Dieser unterscheidet sich zwischen den Einrichtungen. Im Bundesdurchschnitt wird der pflegebedingte Eigenanteil im Jahr 2017 voraussichtlich bei rund 580 Euro liegen. Hinzu kommen Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Investitionen für den Pflegebedürftigen. Auch diese unterscheiden sich von Pflegeheim zu Pflegeheim. Die einheitlichen Eigenanteile verhindern künftig Konflikte zwischen Angehörigen und Pflegeheimen, wenn ein Pflegebedürftiger höhergestuft werden muss. Außerdem biete die Neuregelung mehr Transparenz.

Bessere Absicherung für Angehörige

Pflegende Angehörige werden zudem in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert: Die Pflegeversicherung zahlt künftig Rentenbeiträge für alle, die einen Pflegebedürftigen im Pflegegrad 2 bis 5 mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage, zu Hause pflegen. Diese Rentenbeiträge steigen mit dem Grad der Pflegebedürftigkeit. Wer einen Angehörigen mit außerordentlich hohem Unterstützungsbedarf (Pflegegrad 5) pflegt, erhält um 25 Prozent höhere Rentenbeiträge als bisher. Das gilt auch für Angehörige, die einen ausschließlich demenzkranken Pflegebedürftigen betreuen. Für Pflegepersonen, die aus dem Beruf aussteigen, um Angehörige zu pflegen, zahlt die Pflegeversicherung künftig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit. Die Pflegenden haben damit Anspruch auf Arbeitslosengeld und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, falls der Einstieg in eine Beschäftigung nach Ende der Pflegetätigkeit nicht gelingen sollte. Gleiches gilt für Personen, die für die Pflege den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung unterbrechen. Mit Inkrafttreten der zweiten Stufe der Pflegereform ist also ein weiterer Schritt zur besseren Altersabsicherung der Pflegenden und zu mehr Leistungen bei Pflegebedürftigkeit getan. (red)