Allgemeine Medizin

Geheimnis des Tumorvirus gelüftet

Fast jeder trägt Viren in sich, die durch bestimmte Auslöser aktiviert werden können. Manche davon scheinen sogar Krebs auszulösen.

06.09.2017

Fast jeder trägt es in sich: Wissenschaftler schätzen, dass weltweit etwa 98 Prozent der Erwachsenen mit dem Epstein-Barr Virus (EBV) infiziert sind. In seltenen Fällen führt die Infektion mit den Erregern zu Krebs. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum und im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entdeckten nun, dass ein Proteinbaustein der Viren die Krebsentstehung fördert: Das Virusprotein stört die Zellteilung, was dazu führen kann, dass sich das Erbgut fehlerhaft auf beide Tochterzellen verteilt. Dadurch steigt das Risiko, dass die infizierten Zellen später zu Krebs entarten.

Viren-Proteine verändern Zellen

Nach Infektion verbleiben EBV lebenslang im Körper, verursachen aber meist keine Symptome. Etwa ein Drittel der infizierten Jugendlichen oder jungen Erwachsene erkrankt am Pfeifferschen Drüsenfieber. In seltenen Fällen jedoch verursacht das Virus Krebs, insbesondere Lymphome sowie Krebserkrankungen des Magens und des Nasen-Rachenraums.„Bislang haben wir nur für einige wenige Fälle eine Erklärung“, sagt Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Wir wussten aber bislang nicht, auf welche Weise die Mehrheit der Tumoren entsteht.“
Nun ist ein Durchbruch gelungen. Die Wissenschaftler zeigten erstmals, dass ein Proteinbestandteil der Viren die Krebsentstehung antreibt: Teilt sich eine EBV-infizierte Zelle, so verhindert das Virusprotein BNRF1 den ordnungsgemäßen Ablauf des Vorgangs: Es bilden sich häufig mehr als zwei Spindelpole (Zentrosomen). Daraus folgt, dass sich die Chromosomen nicht mehr gleichmäßig und akkurat auf beide Tochterzellen verteilen – eine bekannte und anerkannte Krebsursache. Epstein-Barr Viren, aus denen die Wissenschaftler BNRF1 entfernt hatten, beinträchtigen die Chromosomenverteilung dagegen nicht.

Nur eine Impfung kann schützen

EBV, das zu den Herpesviren zählt, befällt im Körper B-Zellen der Immunabwehr und Schleimhautzellen des Mund- und Rachenraums. In den infizierten Zellen ruhen die Viren meist. Gelegentlich kurbeln sie aber ihre Vermehrung an, um Virus-Nachkommen zu produzieren, die benachbarte Zellen befallen. So kommen immer neue Körperzellen in Kontakt mit dem schädlichen Virusprotein BNRF1 und sind damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, zu entarten.
„Das völlig neue an unserem Ergebnis ist, dass wir erstmals ein Protein eines Virus als Krebstreiber enttarnt haben“, sagt Henri-Jacques Dele-cluse und fordert eine Schutzimpfung: „Denn unsere neuen Ergebnisse zeigen eindeutig: Bereits die erste Infektion stellt ein Krebsrisiko dar.“ (red)